Mein dreiundzwanzigster bester Schreibtipp für
bessere Texte
Das Traditionsargument
Besonders in der politischen Sprache, aber auch im
Wissenschaftskontext schleichen sich oft Fehlschlüsse ein, die Logik und
Tradition verwechseln und so eine einfache Behauptung in einem falschen
Argument verstecken. Auch hier ist das Prinzip einfach: Weil etwas lange
etabliert, also tradiert ist, muss es stimmen.
Goethe gehört zum Kanon der deutschen Literatur. Er
ist ein Klassiker und muss daher ein guter Schriftsteller sein.
Zunächst liefert der Umstand, dass Goethe zum Kanon
gehört, ein Indiz für seine literarische Qualität. Sicher ist das allerdings
nicht und logisch ist ein solches Argument schon gar nicht. Es stützt sich
schlicht auf Tradition, das heisst auf überlieferte Ansichten.
Seit vielen Jahrhunderten gibt es eine klare
Rollenteilung zwischen Mann und Frau. Die Aufgabenteilung ist richtig, weil sie
sich bewährt hat und der Natur der Sache entspricht.
Hier haben wir es gleich mit zwei Fehlschlusstypen
zu tun. Einerseits wird eine vermeintliche Tatsache als Prämisse genommen, aus
der eine allgemeingültige Aussage abgeleitet werden soll. Das ist nicht
logisch. Zudem stützt sich das Argument auf die Natur als Autorität, was ebenfalls einer konservativen und unlogischen Weltanschauung entspricht.
Christoph Frei
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