Meine erste #beste Schreibempfehlung
Die Ermahnung «Don’t break the chain» wird
dem amerikanischen Comedian Jerry Seinfeld zugeschrieben. Das Prinzip
entspricht in etwa dem, was Thomas Mann in seiner Erzählung «Tod in Venedig»
mit «motus animi continuus» umschreibt, worin nach Cicero das Wesen der
Beredsamkeit besteht, das möglichst nicht unterbrochen werden sollte.
Entsprechend heisst es im ersten Kapitel: «Überreizt von der schwierigen und
gefährlichen, eben jetzt eine höchste Behutsamkeit, Umsicht, Eindringlichkeit
und Genauigkeit des Willens erfordernden Arbeit der Vormittagsstunden, hatte
der Schriftsteller dem Fortschwingen des produzierenden Triebwerkes in seinem
Innern, jenem ‘motus animi continuus’, worin nach Cicero das Wesen der
Beredsamkeit besteht, auch nach der Mittagszeit nicht Einhalt zu bieten
vermocht und den entlastenden Schlummer nicht gefunden, der ihm, bei
zunehmender Abnutzbarkeit seiner Kräfte, einmal am Tag so nötig war.»
Bei dieser Methode hakst Du auf einem
Kalender die Tage ab, an denen Du zum Beispiel an Deiner Masterarbeit
geschrieben hast. Im Grunde lässt sie sich das Prinzip des «Don’t break the
chain» auf alle grösseren Projekte anwenden. Ziel und Zweck bestehen darin,
eine möglichst lange, ununterbrochene Kette von Tagen zu erzeugen, an denen Du
an dem betreffenden Text gearbeitet hast und die auf dem Kalender gut sichtbar
durchgekreuzt sind. Dieses Phänomen wird auch als als Streak bezeichnet, eine
„Schreibsträhne“ also, in der Du ähnlich wie bei einer «Glückssträhne» richtig
gut vorwärtskommst.
Angenommen ein Autor oder eine Autorin
schreibt während mehr als fünf Jahren jeden Tag 600 Wörter, auch an Sonn- und
Feiertagen und bei Krankheit, dann ist es verständlich, dass er oder sie davor
zurückschreckt, die Kette oder Strähne plötzlich abreissen zu lassen.
Möglich, dass das Schreiben so sehr zur
Routine oder Gewohnheit geworden ist, dass man gar nicht mehr anders kann, als
weiterzumachen. Wenn die Kette erst einmal eine gewisse Länge erreicht hat, so
die Theorie, haben Schreibängste und –blockaden keine Chance mehr, Dich aus dem
Tritt zu bringen.
Die Methode, das Schreiben zur Gewohnheit zu
machen, kannst Du natürlich auch etwas flexibler gestalten. Nicht von der Hand
zu weisen ist freilich die Tatsache, dass Gewohnheiten eine Haltung verstärken,
vermutlich weil das Gehirn einen Zustand kennengelernt hat, der ihm angenehm
ist und den es immer wieder herstellen möchte. Man spricht diesbezüglich auch
von Körperintelligenz.
Christoph Frei
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