Bist Du Trittbrettfahrer oder MVZ-Mitglied?
Eine Mitgliedschaft
im MVZ ist eine Frage der Reziprozität. Das Phänomen der Reziprozität hat der
Marketing- und Psychologieprofessor Robert Cialdini bereits in den 80er Jahren
des letzten Jahrhunderts an der Stanford University in Kalifornien genauer
untersucht. Dabei kam er zum Ergebnis, dass Menschen nur ungern in der Schuld
anderer stehen. Auf den ersten Blick scheint reziprokes Handeln ökonomisch
unvernünftig, ja riskant. Schliesslich hat man keine Garantie, dass man jemals
etwas zurückbekommt von dem, was man investiert hat. Trotzdem ist dieses
Verhalten, so Ralph Dobelli in seiner Essaysammlung «Die Kunst des klaren
Denkens», rational und zudem etwas zutiefst Menschliches. Auf die Frage, warum
es Reziprozität gibt, nennt Dobelli zwei Antworten, die im Grunde
zusammenhängen. Die erste Antwort ist aus evolutionstheoretischer Sicht
nachvollziehbar. Menschen haben im Laufe der Sozialevolution gelernt, andern
etwas zu schenken, weil sie damit rechnen konnten, dass das Geschenk beim
andern etwas bewirkt, dass es also nicht völlig umsonst war. Dadurch wurde der
Austausch von Ressourcen und Ideen gefördert, zumal sich Systeme gegenseitiger
Unterstützung und des Handels entwickeln konnten. Die zweite Antwort liegt auf
der Beziehungsebene. Jemand, der sich immer nur geizig, undankbar und
egoistisch verhält, wird bald keine Freunde mehr haben. Also geht es auch
darum, nicht als vielgescholtener Abzocker der Ächtung anheimzufallen, sondern
im Gegenteil Vertrauen und Verlässlichkeit bei den andern aufzubauen. Die
Reziprozität besagt als uraltes Programm «Ich helfe dir aus, und du hilfst mir
aus.» Als eine Art Versicherungsgedanke findet sich Reziprozität bereits bei
der pleistozänen Population der ausgestorbenen Gattung des Homo erectus. Gesetzt den Fall, ein Homo erectus hat als Jäger und
Sammler Glück und erlegt ein Wildschwein. Vermutlich mehr, als er und seine
Sippschaft an einem Tag verspeisen können. Da es keine Tiefkühltruhen gibt,
teilen sie sich die geschlachtete Wildsau mit andern Gruppenmitgliedern. Das
eröffnet die Möglichkeit, von der Beute der andern zu profitieren, sollte sie
einmal das Jagdglück verlassen. Der Bauch der andern wird so zur eigenen
Tiefkühltruhe. Eine hervorragende Überlebensstrategie. Reziprozität ist
Risikomanagement in Reinkultur. Ohne Reziprozität wäre die Menschheit vermutlich
schon lange ausgestorben.
Natürlich
dient der Homo erectus nur als Analogie, um Nichtmitgliedern aufzuzeigen,
dass auch für alle – auch Nichtmitglieder – in der Tiefkühltruhe des MVZ etwas
vorhanden ist. Eines der grossen Missverständnisse vieler obAs, also über ein
Verfahren gewählte Mittelschullehrpersonen, ist der Umstand, dass sie zuweilen
die Auffassung hegen, nach ihrer Wahl unbefristet bis in alle Ewigkeit
angestellt zu sein. Richtig ist, dass sie wie die früheren Beamten unbefristet
angestellt sind, doch bedeutet «unbefristet» nicht auch «unkündbar». Über
mögliche Kündigungsgründe müssen wir uns an dieser Stelle nicht den Kopf
zerbrechen. Wird freilich eine Kündigung ausgesprochen, ist es mittlerweile zu
spät, noch rasch in den Verband der Mittelschullehrpersonen einzutreten, um so
in einer schwierigen Situation Unterstützung zu bekommen. Dafür ist der Zug
dann abgefahren.
Der MVZ
unterstützt seine Mitglieder, sollte eine Kündigung drohen, damit sie zu ihrem
Recht kommen. Zusammen mit seinen Partnern bietet der MVZ in Rechtsfällen
betreffend Anstellungsverhältnissen an Zürcher Mittelschulen Rechtshilfe, sofern
die Mitgliedschaft mindestens 6 Monate vor Beginn des Rechtsfalls erfolgt ist.
Wie sich dem Paragrafen 35 der Statuten entnehmen lässt, kann eine
Rechtsberatung erst 6 Monate nach Beitritt in Anspruch genommen werden
(Karenzfrist).
Daher ist
eine Anmeldung für jede Mittelschullehrperson empfehlenswert, und zwar unabhängig
von der Anstellung oder dem Anstellungsgrad. Oft kommen Probleme unverhofft und
dann erfolgt eine Anmeldung zu spät, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch wenn
keine Rechtshilfe nötig ist, da gar keine Kündigung ins Haus steht, weiss der
Verband aus Erfahrung, dass Rückendeckung vor allem dann geschätzt wird, wenn
sie unverhofft benötigt wird, sei es, dass man ein Mobbingopfer zu werden
droht, Ärger mit dem Steuer Kommissar wegen des abgezogenen Arbeitszimmers hat
oder plötzlich im Stundenkontokorrent eine Auszahlung statt des erhofften
Weiterbildungsurlaubs akzeptieren muss. Hat eine Lehrperson Fragen zu ihrer
Anstellung, so findet sie im Mitgliederbereich der MVZ-Homepage wichtige
Informationen zu rechtlichen Hintergründen und zum Vorgehen, falls entsprechende
Auskunft benötigt wird. Bei der Revision der Statuten 2014 musste Paragraf 35
um die sechsmonatige Karenzfrist erweitert werden, weil zuvor immer wieder
Kolleginnen und Kollegen den Vorstand um Unterstützung baten, obwohl sie noch
nie einen Mitgliederbeitrag gezahlt hatten. Reziprozität? Ein Fremdwort.
Gymnasiallehrerinnen
und Gymnasiallehrer üben keinen Job aus, sondern einen Beruf. Sie fühlen sich
berufen, jungen intelligenten Menschen etwas beizubringen, das für ihr Studium wie
auch ihr weiteres Leben von Belang ist. Statt zu jammern, sollten
Mittelschullehrerinnen und Mittelschullehrer in der Öffentlichkeit mit dem
nötigen Selbstbewusstsein auftreten. Man wünscht ihnen den aufrechten Gang. Es
sind Akademiker, die sich bewusst dazu entschieden haben, nicht nur fürs Geld
zu arbeiten. Daher interessieren sie sich auch für Fragen der Bildung, doch
können sie ihre Stellungnahmen nur einbringen, wenn sie Mitglied eines
grösseren Verbands sind, da man sie andernfalls nicht ernst nimmt, was sich
unter anderem darin zeigt, dass ihnen gar kein Publikationsorgan zur Verfügung
steht. Da wir alle jedoch auch für Geld arbeiten müssen, hilft eine
Mitgliedschaft im MVZ ebenso, um mit der nötigen Autorität bei Lohnfragen
aufzutreten und seine Stellungnahme abzugeben. In dieser Hinsicht gibt es keine
Alternative zum Verband. Gerade weil es aufgrund unsachlicher Medienberichterstattungen
in Mittelschullehrkreisen in letzter Zeit zu zum Teil heftigen Reaktionen kam,
sei an dieser Stelle festgehalten, dass der Kanton Zürich, gestützt auf Verfassung
und Personalgesetz, die Repräsentativität des MVZ anerkennt. Der MVZ ist
anerkannter Verhandlungspartner des Kantons und kann entsprechend für die
Mittelschullehrerschaft des Kantons sprechen, zum Beispiel beim alljährlichen Treffen
mit der Bildungsdirektorin. Nur der MVZ kann als
privatrechtlicher Verband mit Statuten beim Verwaltungsgericht Klage
einreichen. Für einzelne Lehrpersonen ist dies schon schwieriger, weil sie dann
völlig ungeschützt gegen ihren eigenen Arbeitgeber klagen müssten.
Es ist
sprichwörtlich, dass Recht haben und Recht bekommen zwei Paar Schuhe sind – und
so ist es tatsächlich. Also wäre es naiv zu glauben, der Verband könne sich in
jedem Fall durchsetzen. Er kann es selbstverständlich nur immer wieder
versuchen und wenn er Erfolg hat, so kommt dieser allen Mittelschullehrpersonen
zugute, auch Nichtmitgliedern. Der MVZ könnte aber noch mehr bewirken, wenn uns
zusätzlich der Rücken gestärkt wird. Deshalb sollte jede Mittelschullehrerin und
jeder Mittelschullehrer dem MVZ beitreten. Besten Dank für Deine Mitgliedschaft.
Christoph
Frei
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