Maturitätsprüfung
DEUTSCH-AUFSATZ
1) Generation
Selfie
Die Kritik an der Jugend ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. So
soll schon der griechische Philosoph Sokrates (ca. 469-399 v. Chr.) gesagt haben:
«Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die
Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie
arbeiten sollte.»
Gemäss der Sendung Forum von SRF (12.11.2016) gilt die Jugend heute als
zu langweilig und zu angepasst; sie sei wenig kämpferisch, ich-bezogen und
interessiere sich nur für einen möglichst optimalen Lebenslauf. Gut sei für die
Jungen von heute das, was im Moment und bezogen auf das engere Beziehungsumfeld
gut ankomme.
Nehmen Sie in Form einer
Erörterung Stellung zu diesem Befund. Äussern sie sich zuerst generell zur
jahrtausendealten Kritik der «Alten» an der Jugend. Zeichnen Sie dann ein
differenziertes Bild der heutigen Jugend, indem Sie auf die oben genannten
Vorwürfe an Ihre Generation eingehen. Setzen Sie dabei eigene Schwerpunkte und
beziehen Sie ihre eigenen Erfahrungen als Jugendliche in Ihre Überlegungen mit
ein.
2) Mensch und Maschine
Längst spielen «Maschinen» in vielen Bereichen unseres Alltags eine
zentrale Rolle. Und es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis die Regale im
Supermarkt ganz selbstverständlich von Robotern aufgefüllt werden und
computergesteuerte Autos auf den Strassen unterwegs sind. - Nehmen Sie, wenn
Sie mögen, die folgende Aussage des ehemaligen russischen Schachweltmeisters
Gary Kasparov als Anregung. Anlässlich einer Schachpartie gegen den Computer
Deep Blue, dem ersten Duell zwischen Mensch und Schachcomputer, sagte der
Weltmeister 1997: «Ein Sieg von Deep Blue wäre ein wichtiger, erschreckender
Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Zukünftige Generationen werden
sich daran erinnern und sagen: Das war der Moment, als eine Maschine auf rein
intellektuellem Gebiet erstmals stärker war als ein Mensch. Ich (...) versuche
lediglich, diesen Moment etwas hinauszuschieben.» (Quelle: Focus, Mai 2017)
Machen Sie sich
grundsätzliche Gedanken zum Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Setzen Sie
dabei eigene inhaltliche Schwerpunkte und führen Sie ihre Gedanken zu einem
Resultat.
3) Männer haben keine Zukunft
Die Emanzipationsverlierer sind heute Jungen und Männer. Die Entwicklung
der Wirtschaft tendiert seit geraumer Zeit in Richtung des „weiblichen“
Dienstleistungsgewerbes und zur sukzessiven Schrumpfung der „männlichen“
Industriearbeit. Dementsprechend steigt die weibliche Erwerbstätigkeit, während
die männliche ebenso kontinuierlich abnimmt. Seit einigen Jahren ist die
männliche Arbeitslosenquote höher als die weibliche. Das alimentiert nicht
gerade die Zukunftsperspektive der nachwachsenden männlichen Generation, ebenso
wenig wie der immer wieder kolportierte Slogan „Die Zukunft ist weiblich“. Männer sind aber nicht nur die Verlierer auf dem
Arbeitsmarkt, sondern bereits dort, wo in Schulen und bei der Ausbildung auf
die späteren Berufsqualifikationen vorbereitet wird. Ihre Bedürfnisse werden
zunehmend ignoriert, ihre Leistungen werden schlechter benotet, ihre
Versetzungen in höhere Schulstufen oder Klassen erschwert. Schulversager,
Schulabbrecher, Schulschwänzer sind heute fast ausschliesslich männlich. Die
Philosophin Christina Hoff Sommers, selber Feministin, spricht in ihrem
gleichnamigen Buch vom „Krieg gegen die Jungen“. Das mag übertrieben sein, aber
Tatbestand ist, dass Jungen in Kindergärten, Horten, Ganztagseinrichtungen,
Schulen und Beratungsinstanzen ständig an weibliche Verhaltensmuster und
Grenzsetzungen stossen.
Machen Sie sich in einem
substanziellen und differenzierten Text Gedanken über die oben skizzierte
Entwicklung und ihre Hintergründe. Beschäftigen Sie sich insbesondere mit den Begriffen
«Männlichkeit» und «Weiblichkeit» und setzen Sie sie sinnhaft zueinander in
Beziehung. Stimmt es tatsächlich, dass «Männlichkeit» eine Idee von gestern
ist?
4)
Sport und Kommerz
Im
Grunde war schon lange präsent, was jetzt so deutlich wird. Die
Kommerzialisierung hat einen großen Sprung nach vorn getan, das Starsystem ist
prägnanter geworden, das Phänomen der männlichen Hysterie à la Beckham hat sich
weiter entfaltet, die Prominenz-Maschinerie hat das Phänomen
"Spielerfrau" lanciert, der Arena-Hooliganismus hat sich an die
Regeln der Spektakel-Gesellschaft angepasst und so weiter. Kurzum, Korruption
und Normalität sind eins geworden. Was mich frappiert, ist die Grosszügigkeit
seitens der Zuschauer, die nichts dabei finden, junge Männer in die Sphäre von
zweistelligen Millionengehältern davonschweben zu lassen, und das ohne jedes
Ressentiment. Dass man Sportlern Einkünfte gönnt, die denen von Oligarchen
entsprechen – ist das nicht merkwürdig? Wären es Unternehmer, würde man sie
Ausbeuter nennen. Spieler-Millionäre hingegen dürfen durchweg mit Bewunderung
rechnen. Man will einfach denken, sie hätten es "verdient". Warum?
Vielleicht, weil sie den intensivsten Traum von Menschen unserer Hemisphäre
erfüllen: reich und berühmt werden, indem man tut, was man am besten kann.
Überbelohnung ist der erste Schritt zur Korruption. Der Steuerbetrug gehört zu
den fast unvermeidlichen Kollateralschäden der Überbelohnung. Peter Sloterdijk in: Die ZEIT vom 5. März 2017
Setzen Sie sich mit der provokativen
Aussage des deutschen Philosophen Peter
Sloterdijk in
Form eines Erörterungsaufsatzes auseinander und beziehen Sie begründet
Position. Stimmt es tatsächlich, dass eine ausgeprägte Kommerzialisierung den
Sport im Allgemeinen und den Fussball im Besondern in Verruf gebracht hat? Ist
durch den heutigen allgemeinen Siegeszwang der Sport strukturell schmutzig
geworden, da die Beteiligten die Maxime anwenden: „Dem Sieg ist es egal, wie du
ihn erlangt hast.“? Oder gilt für Sie als Absolventinnen und Absolventen des
Kunst- und Sportgymnasiums nach wie vor der Grundsatz, dass mitzumachen
wichtiger ist, als zu gewinnen?
5) Der
Schweizer Traum
Der amerikanische Traum ist der nach dem
grösstmöglichen Erfolg aus dem Nichts heraus. Am besten berühmt sein dafür, wie
reich man ist, oder reich werden, weil man berühmt ist. Je jünger, desto
besser, je abgefahrener der Job, desto beeindruckender. Morgen bist du tot und
träumst keine Träume mehr. Der deutsche Traum ist, dass man mit Punkt 50 keine
Träume mehr hat. Schaffe, schaffe, Häusle baue. Das war’s. Bitte keinen Palast,
ein Häusle reicht. Vorgarten, Apfelbaum, Tochter, Sohn. Alle Visionen unter
einen muffigen Pullunder stecken und so lange ausharren, bis alle Sehnsüchte
winselnd erstickt sind. Ich bin Schweizerin. Ich spreche nicht gern über
Träume. Aber ich hätte schon gern einmal einen Tesla. Ein übles Teil mit 700
PS. Von null auf hundert in drei Sekunden, und das erst noch ohne Abgase, so
fett. Leider weiss ich genau, dass ich das Auto dann tagsüber als 2011er Toyota
Camry tarnen müsste, um an der Ampel nicht vor Scham zu sterben. Niemand soll
doch wissen, dass ich 100 000 Euro für eine Karre ausgegeben habe! - Ich bin in
einem Vorort von Zürich aufgewachsen. Das heisst, ich habe kein normales
Verhältnis zu Besitz. Der Schweizer Traum ist es, nicht aufzufallen. Weder
durch Besitz noch durch Bemerkungen. Keep it low, dann dürfen wir auch in den
kommenden Kriegen aufs Gold aufpassen. Die helvetische Neutralität wirkt
löblich, dabei befürchte ich, dass uns oft einfach der Mumm fehlt, wirklich
unkonventionelle Ideen durchzusetzen. Hazel
Brugger, Stand-up-Comedian, Moderatorin und Kolumnistin in: JETZT vom 18. April
2017
Teilen Sie die Einschätzung von Hazel
Brugger über die Schweiz? Will ein Schweizer wirklich nicht, dass man sieht,
dass er reich ist? Will er allenfalls, dass man spürt, dass er mehr hat, ohne
jemals darüber zu sprechen? Oder, anders gefragt, fehlt uns Schweizern oft
einfach das Selbstvertrauen oder der Mumm, wie Hazel Brugger es nennt, um
unkonventionelle Ideen durchzusetzen? - Erörtern Sie das Thema und ziehen Sie
bei Ihren Überlegungen auch praktische Beispiele heran.
6)
Die Entdeckung der Langsamkeit
„Vor einiger Zeit war der Schriftsteller Pico Iyer zur Konferenz einer
Werbeagentur nach Singapur eingeladen. »Trends von morgen« waren gefragt, und
der viel reisende Iyer, der ständig zwischen den USA und Japan pendelt, sollte
über globale Mobilität referieren. Doch bevor er dazu kam, wurde er mit einem
Geständnis konfrontiert. »Kurz nach meiner Ankunft«, berichtet Iyer in der New York Times, »nahm mich der Chef
der Werbeagentur zur Seite. Was ihn am meisten interessiere, so begann er – und
ich stellte mich schon auf eine besonders geheimnisvolle Werbekampagne ein –,
sei: die Stille. «
Stille? Kein Trubel, keine Show, kein aufgeblasenes Marketing-Event, sondern
einfach nur mal abschalten und Ruhe geben? Ist das der neueste Trend? Gut
möglich. Denn je hektischer die Zeiten, je schneller die digitale Kommunikation
und je grösser der Drang, allzeit erreichbar zu sein, umso ausgeprägter wird
der Wunsch, das alles einmal hinter sich zu lassen und abzuschalten. Und das
gilt nicht nur für ruhebedürftige Werbechefs.
Häufig seien es gerade die kreativen Erfolgsmenschen, wie Pico Iyer
erstaunt notiert, die sich vom Nachrichtenstrom abkoppelten und sich der
permanenten Erreichbarkeit verweigerten. Manche legen übers Wochenende ein "Internet-Sabbatical" ein oder blocken per Freedom-Software stundenweise ihren Internetzugang, andere
flüchten aufs Land, ins Kloster oder in eines jener teuren »black hole«-Hotels, in denen man
gerade dafür bezahlt, keinen
Fernseher im Zimmer zu haben und nicht
erreichbar zu sein.
Klingt verrückt? Kaum weniger verrückt als der Schweizer Trendsetter Rolf Dobelli. Der
Mitgründer der Firma getAbstract (die Managementwissen in komprimierter Form
anbietet) hat sich radikal vom Nachrichtenrauschen abgekoppelt. Er habe sämtliche
Zeitungs- und Zeitschriftenabos gekündigt, Radio und Fernseher entsorgt und die
News-Apps von seinem iPhone gelöscht, berichtet Dobelli in seinem Bestseller zur Kunst des klugen Handelns. »Die ersten Wochen waren hart«, gesteht der Autor. »Sehr hart. Ständig hatte
ich Angst, etwas zu verpassen. « Doch er habe durchgehalten. Denn die
hektischen News seien ebenso störend wie irrelevant. Lieber habe er Bücher und
Hintergrundartikel gelesen oder Gespräche mit Freunden geführt (echten, keinen
Facebook-Freunden). Ergebnis? Heute, drei Jahre später, geniesse er »klareres
Denken, wertvollere Einsichten, bessere Entscheidungen und viel mehr Zeit«. Und
das Beste sei: Noch nie habe er etwas Wichtiges verpasst.“
(Quelle: „Einladung zur
Langsamkeit“ in: „Die ZEIT“ vom 16.12.2015)
Setzen Sie sich mit diesem
Textausschnitt auseinander und erörtern Sie den Stellenwert von Ruhe, Zeit und
Musse in unserer Gesellschaft. Kann sich Zeit zu lassen Zeit sparen? Worin
besteht die Schwierigkeit, das eigene Leben abzubremsen, obwohl viele unter dem
Gefühl des Gehetztseins in unserer modernen „Beschleunigungsgesellschaft“
leiden?
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