Sonntag, 1. Januar 2017



Mein sechster bester Tipp für bessere Texte




Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens I

Wissenschaftliches Schreiben ist nicht nur eine Form, Erkenntnisse darzustellen, sondern auch ein Weg, Erkenntnisse zu gewinnen, zu vergleichen, zu ordnen und zu strukturieren. Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang „wissenschaftlich“? Der italienische Schriftsteller und Semiotiker Umberto Eco nennt vier Kriterien für Wissenschaftlichkeit: 

Erstens: Die Untersuchung behandelt einen erkennbaren Gegenstand, der so genau umrissen ist, dass er auch für Dritte erkennbar wird.

Zweitens: Die Untersuchung muss über diesen Gegenstand Dinge sagen, die noch nicht gesagt worden sind, oder sie muss Dinge, die schon gesagt worden sind, aus einem anderen Blickwinkel sehen.

Drittens: Die Untersuchung muss für andere von Nutzen sein.

Viertens: Die Untersuchung muss jene Angaben enthalten, die es ermöglichen, die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit fortzusetzen.

Daraus lässt sich folgern, dass wissenschaftlich zu schreiben zuerst und vor allem die Art der sprachlichen Darstellung, aber auch die grundsätzliche Arbeits- und Vorgehensweise beinhaltet: Eine wissenschaftliche Arbeit ist mehr als eine Erörterung oder eine Inhaltsangabe. Sie soll zeigen, wie sich der Verfasser  Wissen verschafft hat, dass er die Forschungslage kennt und verarbeitet hat.

Der Autor oder die Autorin eines wissenschaftlichen Beitrags gibt dementsprechend an, auf welcher Grundlage die eigene Forschung basiert, also welche anderen Forschungsarbeiten dazu bekannt sind. Er oder sie setzt diese Forschungsliteraturen in Beziehung zueinander, kommentiert sie bzw. macht sie zur Grundlage eigener Erkenntnis.

Widersprüche sollten in einem wissenschaftlichen Text offen gelegt werden, denn Widersprüche sind Teil der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit selber ist  in sich widersprüchlich. Widersprüche sind also nicht notwendig Ausdruck unsauberen Denkens und Schliessens, sondern sie spiegeln häufig die Spannungen und Gespanntheiten wider, die im Sachverhalt selbst liegen. Diese Spannungen enthalten Ambivalenzen (Mehrdeutigkeiten) und erzeugen bei den Handelnden, Denkenden und Schreibenden oft ungute Gefühle. Wer wissenschaftlich arbeitet, wird damit umgehen lernen (müssen).

Christoph Frei

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