Mein sechster bester Tipp für bessere Texte
Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens I
Wissenschaftliches Schreiben ist nicht nur eine
Form, Erkenntnisse darzustellen, sondern auch ein Weg, Erkenntnisse zu
gewinnen, zu vergleichen, zu ordnen und zu strukturieren. Was aber bedeutet in
diesem Zusammenhang „wissenschaftlich“? Der italienische Schriftsteller und Semiotiker
Umberto Eco nennt vier Kriterien für Wissenschaftlichkeit:
Erstens: Die Untersuchung behandelt einen erkennbaren
Gegenstand, der so genau umrissen ist, dass er auch für Dritte erkennbar wird.
Zweitens: Die Untersuchung muss über diesen Gegenstand Dinge
sagen, die noch nicht gesagt worden sind, oder sie muss Dinge, die schon gesagt
worden sind, aus einem anderen Blickwinkel sehen.
Drittens: Die Untersuchung muss für andere von Nutzen sein.
Viertens: Die Untersuchung muss jene Angaben enthalten, die es
ermöglichen, die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit fortzusetzen.
Daraus lässt sich folgern, dass wissenschaftlich zu
schreiben zuerst und vor allem die Art der sprachlichen Darstellung, aber auch
die grundsätzliche Arbeits- und Vorgehensweise beinhaltet: Eine wissenschaftliche Arbeit ist mehr als eine
Erörterung oder eine Inhaltsangabe. Sie soll zeigen, wie sich der
Verfasser Wissen verschafft hat, dass er
die Forschungslage kennt und verarbeitet hat.
Der Autor oder die Autorin eines wissenschaftlichen
Beitrags gibt dementsprechend an, auf welcher Grundlage die eigene Forschung
basiert, also welche anderen Forschungsarbeiten dazu bekannt sind. Er oder sie
setzt diese Forschungsliteraturen in Beziehung zueinander, kommentiert sie bzw.
macht sie zur Grundlage eigener Erkenntnis.
Widersprüche sollten in einem wissenschaftlichen Text
offen gelegt werden, denn Widersprüche sind Teil der Wirklichkeit. Die
Wirklichkeit selber ist in sich
widersprüchlich. Widersprüche sind also nicht notwendig Ausdruck unsauberen
Denkens und Schliessens, sondern sie spiegeln häufig die Spannungen und
Gespanntheiten wider, die im Sachverhalt selbst liegen. Diese Spannungen
enthalten Ambivalenzen (Mehrdeutigkeiten) und erzeugen bei den Handelnden,
Denkenden und Schreibenden oft ungute Gefühle. Wer wissenschaftlich arbeitet,
wird damit umgehen lernen (müssen).
Christoph Frei
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